dreadpan

Ja, die angelsächsische Suppenküchen-Sozialarbeit stößt mir auch schon seit mindestens 10 Jahren auf und macht mich fassungslos. Andererseits, ein bisschen Pragmatismus... wenn ich einem 10-jährigen Kind erkläre, dass es am Scheißsystem liegt, dass es Mittags zu hause nix Warmes gibt, und abends auch nur Chips aus der Mikrowelle und kein Mittagessen in der Schulemensa, weil Mama und Papa ihre Stütze lieber versaufen, dann sollte ich ihm wenigstens was zu essen geben, damit es mir auch zuhören kann und nicht total von seinem knurrenden Magen abgelenkt ist.

die bösen asozialen Eltern, die ihre Stütze versaufen, die dürfen nicht unerwähnt bleiben.

1. Habe ich im Klinikaufenthalt gelernt, alle Affekte sind gut und wichtig, auch Wut.
2. Ich glaube, die Wohlstandsfotzen (und -wichser) finden die Tafel nur so gut, weil sie selbst nie so arm waren, dass sie diese Einrichtung gebraucht hätten.
3. Containern: Das finde ich eigentlich eine sinnvolle Idee. Was die Leute sich dabei denken, ob sie das für revoluzzerhaft halten oder für besonders cool, finde ich zweitrangig. Aber ich denke, wenn da Lebensmittel vor dem Tod durch Abfalleimer gerettet werden, ist das eine gute Sache. Es werden so unglaubliche viele Nahrungsmittel weggeworfen, die noch vollkommen in Ordnung sind. Ob die nun in den Müll kommen oder ob irgendwelche Pseudo-Revoluzzer die noch essen, kann der Polizei eigentlich egal sein, finde ich.
4. Die Tafel würde ich aus dem gleichen Grund wie du/ihr verteufeln, aber auch aus dem gleichen Grund wie in Punkt 3 erwähnt gutheißen. Sie retten Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden. Mein Arbeitgeber wird ja seit Jahren von der Tafel beliefert, und es stimmt, dass wir öfter die frischen Sachen (Obst, Gemüse, Fleisch) nicht mehr verwenden konnten. Aber der Großteil war wie gesagt noch in Ordnung, und zum Beispiel Nudeln oder Reis werden ja auch nicht unbedingt schlecht.
5. Die Bibel ist kein Drecksbuch. Wenn, dann sind es 66 einzelne Drecksbücher, so korrekt müssen wir hier schon sein.

Ich sage nicht, dass Eltern, die ihre Stütze versaufen, böse sind, aber leider gibt es haufenweise solcher Elternhäuser, weil die Gesellschaft alle jene abgehängt hat, für die es früher noch viele Nischen gab, die für ein menschenwürdiges Dasein ausreichten. Ich weiß nicht, ob ich nicht auch nur noch Chips fressen, Vin de Pays saufen und schlechtes Fernsehen gucken würde, wenn ich keine Perspektive mehr hätte.
Die Kinder sitzen aktuell in der Scheiße und brauchen keine Systemkritik sondern Platz, Spaß und was zu Essen - und nette Leute, die sich um sie kümmern. Natürlich ist es Zeit, endlich mal von oben nach unten umzuverteilen, aber bis das geschafft ist, sind die lieben Kleinen schon halb verhungert und bilden die nächste Generation dahinvegetierender, erziehungs- und lebensmüder Ausgegrenzter.
Shoppen bei der Tafel ist aber wohl auch ziemlich entwürdigend, da gebe ich dir Recht. Manche Leute ziehen es vor, sich stark einzuschränken und im Supermarkt einkaufen zu gehen. Kann ich verstehen. Ich kriege schon Ausschlag, wenn ich bei Aldi einkaufen muss.
Containern find ich auch gut. Siehe heyley.

Bei uns hat ein junger Mann ein Netzwerk via Twitter gestartet, wo alle, die Lebensmittel übrig haben das melden und andere, die was brauchen können es abholen. Alles von Mensch zu Mensch. Das hat sich jetzt schon auf mehrere Grossstädte ausgebreitet.

In Kopenhagen gibt es auch Sammelstellen, wo Läden Waren hinliefern können und Leute, die kein Geld haben, kommen und holen sich, was sie brauchen.

wie die tafel. und diese sammelstellen sind ja an sich nicht verkehrt. der prekarius ist immer sehr extrem, was ich ganz gut verstehen kann, aber ich denke, auch der prekarius will nicht, dass leute hunger leiden, damit sie dann aus ihrem elend heraus revolutonäre wut entwickeln. was sie ja auch nicht tun. so funktioniert es ja leider nicht.

was prekarius, und mich auch, an der tafel stört ist dieses von oben herab almosen-getue, die verquickung mit der kirche, die abgeschafft und enteignet gehört, und dann noch solche kleinigkeiten, wie dass jeder, der von der tafel abgelaufene lebensmittel haben will, auch noch GELD DAFÜR BEZAHLEN MUSS! (einen sogenannten "symbolischen obulus" von einem euro). die begründung für diesen symbolischen obulus zeigt, wie krank diese charity-wixer denken. absolut krank. ausserdem lassen sie nicht nur freiwillige, sondern auch sklaven für sie arbeiten, nämlich ein-euro-jobber, für die sie dann auch noch 700 euro verwaltungsgebühr aus den sozialkassen bezahlt bekommen, von denen man ne ganze menge frische lebensmittel hätte kaufen können. ich frage mich, was die tafel-leute, die ja auch noch spendengelder kassieren, mit der ganzen kohle machen!

Das ist ja ein Ding! Bezahlen? Ausgerechnet bei den Christen?

Die Sachen in den Sammelstellen sind gratis. Und alle scheinen sich nur das zu nehmen, was sie wirklich brauchen, was ich enorm diszipliniert finde von Leuten, für die Mangel ein Dauerzustand ist. Die Mitarbeiter sind Freiwillige. Die füllen Regale auf, halten Ordnung etc.

Das Privatnetzwerk vergibt auch gratis.

Die Kritik an den Tafeln erscheint mir berechtigt (habe mich da mal ein bisschen eigelesen) - das Problem liegt allerdings nicht bei den Kirchen, das ist zumindest in meiner Gegend nicht der Träger - sondern in der skandalösen Praxis der leitenden Personen. Schlimm genug, dass es wahnsinnig lange dauert, dass da jemand interveniert.
Das mit dem Geld bezahlen hat sicher etwas damit zu tun, dass Dinge, die nichts kosten, auch nicht wertgeschätzt werden. Gut, wenn die Lebensmittel nicht mehr brauchbar sind, ist das natürlich eine tierische Sauerei, dann ist es auch eine Sauerei, sie zu verschenken.
Das super Projekt, was Birgit beschreibt, ist total toll für arbeitslose Akademiker oder am Symstem gescheiterte Hochbegabte. In der Stadt, in der ich arbeite, leben aber auch haufenweise Leute, die einfach gar nichts hinkriegen. Eine feste Anlaufstelle, wo die Lebensmittel billiger sind, als bei Aldi und Lidl zusammen, finde ich aus pragmatischen Gründen sinnvoll. Die Tafelmitarbeiter sind auch nicht überall so salbungsvolle Rotzreiche.
Ich finde es richtig, über würdigere Alternativen nachzudenken, aber dieses pauschale abwatschen geht mir gegen den Strich. Es sind auch nicht alle Kirchengemeinden so wie Dreadpans Christusgemeinde aus deinem Heimatort. Wenn du die Kirchen enteignen und abschaffen willst, dann bitte zuerst die Konzerne, danach die Gewerkschaften (die braucht dann ja keiner mehr), die politischen Parteien, die Wohlfahrtsverbände (DPWV; AWO etc.), die Jugendverbände (Falken usw.), die Sportvereine (die kosten Millionen, argumentieren mit Volksgesundheit und betreiben doch nur Preisficken auf der toten Sau, mit Zaretten geräuchert und Pilsbier begossen)... soll ich weiter schwafeln? Oder lieber Revolution machen? Aber das ist so anstrengend. Ist auch gerade kalt draußen. Und die ganzen Ressourcen, die man dabei verschwendet. Und die Unschuldigen, die man nebenbei erledigt... ich kann die Welt auch nicht retten.

Mein rundumschlag war nicht sehr überlegt. Ich bin eigentlich auch viel zu depressiv, um was vernünftiges zu schreiben, das war noch zusehr emotional, was eigentlich Prekarius vorbehalten sein sollte. Wie ich festgestellt habe, ist er mämlich nicht nur der Prekäre, sondern auch der Choleriker in mir. In vielen Punkten muss ich dir wohl rechtgeben, C. Fabry.... Vielleicht später en Detail am PC, das Scheiss Smartphones korrigiert mir grade zu nervig... ;)

Oh ja. Das kenne ich von mir auch. Cholerische Anfälle, bei denen ich Sachen sage, die mir sogar selber bekloppt vormkommen, in dem Moment wo ich sie raushaue und ich stehe innerlich neben mir und denke: Hast du sie noch alle? Manchmal ist es aber auch echt eine Gratwanderung, seiner berechtigten Wut Ausdruck zu verleihen und gleichzeitig nichts zu sagen, was einem hinterher leidtut.

ausser, dass ich nicht früher schon bei fielmann gekauft habe ;)